Viele Trainer und Athleten können ein Lied davon singen, was sie über die heilsbringenden Wirkungen von Kreatin schon so alles gehört und gelesen haben. Die klassischen Pumper lieben Kreatin, weil es die Muskeln so prall werden lässt. Leistungssportler hingegen berichten von verstärkter Neigung zu Krämpfen und Erhöhung des Verletzungsrisikos. Aber jenseits von Mythos und Märchen: Was bringt Kreatin unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten wirklich? Da Kreatin zu den am besten untersuchten Supplementen in der gesamten Sportszene gehört, hat die International Society of Sports Nutrition (ISSN) in diesem Jahr eine aktuelle Stellungsnahme mit Berücksichtigung von 269 Studien zum Thema veröffentlicht. Höchste Zeit also, sich der Wahrheit anzunähern.

Schnellzünder: Die zelluläre Wirkung von Kreatin!

Vorab ein kleiner Exkurs zu den Basics: Kreatin (Cr) spielt eine wichtige Rolle in unserem Energiesystem. Der wasserlösliche Stoff wird aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin gebildet und befindet sich zu 90% in unseren Skelettmuskeln. Die höchsten Mengen in der Nahrung befinden sich in getrocknetem Fisch und Fleisch. Intrazellulär verbindet sich Kreatin mit freiem Phosphat (P) zu Kreatinphosphat (PCr). Unter körperlicher Belastung wird Kreatinphosphat wieder zu Kreatin und Phosphat gespalten, wodurch Phosphat ADP zu ATP regenriert. Dieser Prozess wird über das Enzym Kreatinkinase (CK) gesteuert. Unsere Energiewährung ATP wird somit in extrem kurzer Zeit wieder aufgeladen. Insbesondere bei anaerob-alaktaziden, maximal- bzw- sprintähnlichen Belastungsformen spielt die ATP-Verfügbarkeit durch Kreatinphosphat die führende Rolle. Das funktioniert allerdings nur für eine kurze Zeit, da die Kreatinspeicher in unserem Körper stark limitiert sind. Durchschnittlich befinden sich in magerer Muskelmasse etwa 120mmol/kg. Da Kreatin etwa zur Hälfte aus der Ernährung stammt (u.a. Fleisch und Fisch) und zur anderen Hälfte in Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse synthetisiert wird, haben Vegetarier zwangsläufig einen niedrigeren Kreatinspeicher (ca. 90-110mmol/kg). Durch eine gezielte Supplementierung kann dieser Speicher allerdings bis zu 160mmol/kg gefüllt werden.

Positivliste: Kreatin bietet mehr als nur pralle Muskeln!

Mit einem erhöhten Kreatinspiegel im Muskel geht auch eine erhöhte Wassereinlagerung einher. Für die Sagenwelt der Kraftsportszene ist das der Grund, warum die Muskeln so prall werden. Aber führt Kreatin auch zu Muskelwachstum? Indirekt kann Kreatin tatsächlich zur Hypertrophie beitragen, denn durch die verbesserte Energieversorgung in kurzen Belastungssituationen von maximal 10 Sekunden, kann der Athlet im Training mehr Arbeit verrichten, was am Ende logischerweise zu höheren Anpassungserscheinungen führt – oder anders gesagt: Durch eine hohe Kreatinverfügbarkeit im Muskel ist der Athlet in der Lage, bei gleichem Gewicht eine Wiederholung mehr als gewöhnlich ausführen, wodurch eine stärkere Adaptation (Hypertrophie) provoziert wird.

Nun gut, soweit keine wirklich neuen Erkenntnisse für den wissenschaftlich interessierten Trainer oder Coach. In der aktuellen Stellungnahme der ISSN sind allerdings bis dato unbekannte Effekte von Kreatin zu entdecken. Dazu zählen:

  1. Verbesserte Regeneration: Studien zeigen, dass durch die Supplementation mit Kreatin die Glykogenspeicher schneller wieder aufgefüllt werden. Insbesondere nach intensiven Trainingseinheiten und in Trainingslagern kann dies von großem Vorteil sein.
  2. Verminderte Muskelschädigung: Studien zeigen, dass Schädigungsmarker (z.B. Plasma-CK) mit einer Kreatinsupplementation sowohl nach intensivem Training als auch nach 30 km-Läufen deutlich geringer waren.
  3. Verletzungsprävention: In Studien, die die Sicherheit einer Kreatin-Supplementation untersuchen sollten, stellte sich heraus, dass jene Athleten, die Kreatin zu sich nahmen, weniger Verletzungen erlitten als Athleten in der Kontrollgruppe. Auch die Anzahl an Krämpfen war signifikant geringer.
  4. Erhöhte Hitzetoleranz: Durch die verstärkte Wassereinlagerung im Muskel (ca. 0,5-1l) läuft die Thermoregulation unter Hitzebedingungen deutlich besser und kann zu einer verbesserten Leistung beitragen.
  5. Bessere Rehabilitation nach Verletzungen: Eine Kreatinsupplementation trägt dazu bei, dass der GLUT4-Gehalt in der Muskulatur auf hohem Niveau bleibt (GLUT4 transportiert Zucker in die Zielzellen). Dadurch wird die Muskelathrophie gehemmt.
  6. Neuronale Protektion: Kreatin beeinflusst nachweislich auch die mitochondriale Energieversorgung von Nervenzellen. Bei Patienten mit einer Wirbelsäulenverletzung konnte durch eine Supplementation eine verbesserte Bewegungsreichweite sowie ein reduziertes Narbengewebe festgestellt werden.
  7. Alterung: Zahlreiche altersbedingte degenerative Prozesse können durch eine Supplementation mit Kreatin reduziert werden. Dazu zählen z.B. erhöhte Cholesterin- und Triglyceridlevel, vermehrte Fettbildung in und an der Leber und der Abbau von Kraft und Muskelmasse.

Diese geballte Ladung vorteilhafter Effekten weckt verständlicherweise das Interesse von Schnellkraftsportlern für einen regelmäßige Kreatinsupplementierung. Wie jedoch erwähnt, ist zum einen die Speicherkapazität begrenzt, zum anderen stellt unser Organismus Kreatin immerhin zu 50% selbst her. Diese Argumente sprechen gegen eine Supplementierung und sollten bei adäquatem Fisch- und Fleischkonsum trotz erhöhtem Bedarf bei den verschiedenen Schnellkraftsportlern rein über die Nahrung gedeckt werden können. Anders sieht es bei Veganern aus. Bei Fleisch- und Fischverzicht könnte eine Ergänzung im leistungsorientierten Sport durchaus Sinn ergeben.

Langzeitwirkung: Zumindest schadet Kreatin nicht!

Zudem existieren Studien zur Kreatinsupplementation über längere Zeiträume. Als bestätigt gilt, dass eine tägliche Zufuhr von 30g Keatin pro Tag über 5 Jahre zumindest keine negativen Effekte mit sich bringt, was uns zur abschließenden Frage führt: Wenn ich Kreatin supplementieren möchte, welches Produkt sollte ich in welchem Umfang verwenden? Die ISSN empfiehlt eine Ergänzung mit Kreatin-Monohydrat, da es in Studien die besten Effekte zeigte und insgesamt am besten untersucht wurde. Laut ISSN sollte in den ersten 5-7 Tagen eine geringe Dosis von ca. 0,3g pro Körpergewicht, anschließend 3-5g pro Tag zugeführt werden. Mit dieser Dosis kann der Athlet nicht nur seine Kreatinspeicher erhöhen, sondern auch auf einem hohem Niveau halten.


Quelle: Kreider, R. B., Kalman, D. S., Antonio, J., Ziegenfuss, T. N., Wildman, R., Collins, R., & Lopez, H. L. (2017). International Society of Sports Nutrition position stand: safety and efficacy of creatine supplementation in exercise, sport, and medicine. Journal of the International Society of Sports Nutrition14(1), 18.